Wie funktioniert gutes Employer Branding? – Interview

Arbeitsmarkt

Mit Michael Benz, Geschäftsführer von whyapply, haben wir über die Bedeutung des Employer Brandings für Unternehmen gesprochen. Dabei ging es auch um Fragen der richtigen Ansprache und wie Unternehmen am besten mit Themen wie der Automatisierung und Digitalisierung umgehen.

Für eine bessere Lesbarkeit wurde das Interview redaktionell bearbeitet. Die Original-Verion können Sie hier hören:

Michael, wie bist du zu dem Thema Employer Branding gekommen?

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Ich bin eigentlich als Quereinsteiger zu dem Thema Employer Branding gekommen. Ich war jahrelang bei der Fraunhofer-Gesellschaft. Dort war ich vor allem für die Bereiche Employer Branding und Business Development verantwortlich. Ich habe ursprünglich Islamwissenschaft und Ethnologie studiert. Im Fraunhofer-Institut habe ich erst in einem anderen Bereich gearbeitet und wurde später gefragt, ob ich in den Bereich Employer Branding/ Personalmarketing wechseln möchte. Und so bin ich vor sechs Jahren in die Branche gekommen.

Was müssen Unternehmen jetzt beachten, wenn es um das Thema Employer Branding geht?

Wenn sich das Employer Branding eines Unternehmens rein auf die Personalgewinnung fokussiert, müssen bestimmte Rahmenbedingungen gesetzt werden.
Wohin gebe ich mein Recruiting-Budget? Wohin gebe ich mein Personalmarketing-Budget? In welche Richtung agiere ich mit meinen Personalmarketing-Maßnahmen?
Und dann muss das Anforderungsprofil der Vakanz meinen aktuellen Bedürfnissen entsprechen und den sich verändernden Rahmenbedingungen der Stelle gerecht werden. Unternehmen müssen sich die Frage stellen: Welches Profil suche ich am Ende tatsächlich?

Und wie individuell kann man Anforderungsprofile schreiben oder konzipieren?

Die Persona, auf die sich das Anforderungsprofil bezieht, bringt eine grundlegende Problematik mit sich: Wo bleibt Diversität erhalten? Wo muss man, wie es in meinem Fall war, ungerade Erwerbsbiografien aussortieren?
Aus meiner Sicht gibt es zwei Probleme: Immer mehr Spezialist:innen haben für Teilbereiche eine ganz spezielle Kompetenz.

Dadurch werden die Anforderungsprofile immer vielfältiger, weil die Berufsbilder immer heterogener werden.
Auf der einen Seite ist diese spezielle fachliche Kompetenz natürlich notwendig [für die Vakanz], auf der anderen Seite lässt das den Recruiter:innen wenig Spielraum, um Anforderungsprofile zu erfüllen.

Welche Rolle spielt denn Deiner Meinung nach auch die soziale Komponente [des/der Kandidat:in] für die Zukunft des HR?

Beim Anforderungsprofil ist vor allem die Kommunikation wichtig. Denn bestimmte Begrifflichkeiten [die wir täglich in Anforderungsprofilen nutzen] können unterschiedlich interpretiert werden. So bedeutet beispielsweise Teamfähigkeit oder Arbeiten im Team für manche:
Ich arbeite ausschließlich im Team. Für manche bedeutet es aber auch, ich arbeite lieber allein und hole mir ab und zu Feedback.

Diese Ausgangslage sollte in den Anforderungsprofilen bereits im Vorfeld klar kommuniziert werden. Wie wird Teamfähigkeit für diese Vakanz definiert? Wie definiert das Unternehmen verschiedene Softskills wie Leistungsfähigkeit oder Initiative.

Wie kann man Kandidat:innen zum Wechseln bewegen? Gibt es Buzzwords, die man ziehen kann, um tatsächlich als attraktive/r Arbeitgeber:in in Betracht gezogen zu werden?

Bisher war der Gedanke der Unternehmen: Sofern ich genug biete, wird der oder die [Kandidat:in] schon wechseln. Je mehr Benefits man bietet, desto eher wird der/die Kandidat:in für eine neue Herausforderung offen sein.
Die Corona-Krise hat die Wechselbereitschaft vieler Kandidat:innen auf Eis gelegt, in erster Linie aus Sicherheitsgründen. Nun kommt es langsam zu einer Neujustierung. Bei dem Thema Benefits fällt auf, dass die Unternehmen mittlerweile, je nach Branche, alle ähnliche Angebote unterbreiten. Die Benefits sind am Ende nicht das Entscheidende.

Es gilt ganz klar zu unterscheiden: Warum wechselt jemand? Und bezogen darauf, wechselt man aufgrund des/der Arbeitgeber:in? Oder wechselt man, um eine neue Entwicklungsstufe oder Herausforderung zu erreichen? Die Wechselmotivation ist hier eine ganz andere.
Es ist leichter die Leute zu überzeugen, die bereits innerlich gekündigt haben. Ist man jedoch mit dem/der Arbeitgeber:in zufrieden, sind ein höheres Gehalt und mehr Benefits jedoch nicht ausschlaggebend. Vor allem im IT-Bereich sind Aufgabenstellung, Projekte oder Technologien entscheidende Anreize, die für einen Wechsel sprechen könnten.
Unternehmen können die Kandidat:innen über die Aufgabe, die Einmaligkeit der Tätigkeit und deren Verantwortung überzeugen.

Spielen auch familiäre Benefits eine Rolle?

Es ist abhängig von der Person, der ich diese Benefits anbiete. Bieten Unternehmen eine Kinderbetreuung oder Homeoffice an, sind das gute Benefits für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auf der anderen Seite ist der Benefit von mobilem Arbeiten oder Homeoffice etwas, was sich auch Mitarbeitende für ihre Work-Life-Balance wünschen, die keine Familie haben.

Um potenzielle Kandidat:innen zu einem Wechsel zu überreden, zu überzeugen, sie dahin zu motivieren, braucht man viele Touchpoints. Wie viele Touchpoints braucht man denn, um wirklich eine ideale Wechselsituation herbeizuführen?

Es gibt im Einzelhandel viele Untersuchungen darüber, wie viele Kundenkontakte man für den Kauf eines Autos braucht. Je nach Untersuchung sind das bis zu 50, ehe man eine Kaufentscheidung getroffen hat. Ich kann noch so viele, noch so gute Touchpoints haben. Wenn der/die Kund:in das Produkt oder die Dienstleistung nicht möchte, wird er/sie nicht zu überzeugen sein.

In bestimmten Branchen werden Kandidat:innen häufig in der Woche von 30 Headhunter:innen kontaktiert. Kollateralschäden entstehen dann, wenn davon 28 Anfragen gleich sind und gerade einmal Zwei mit einer guten Ansprache hervorstechen. Dies führt dazu, dass die Angesprochenen nicht einmal mehr den Betreff lesen. Die Ansprache muss also so originell und interessant gestaltet sein, dass man bei dem/der Kandidat:in ein Grundinteresse weckt.
Wir erklären das bei uns immer am Beispiel der Firma Dyson.

„Wenn ich einen Staubsauger verkaufen möchte, dann hat ja jeder bereits einen Staubsauger zu Hause.“

Das heißt, wenn ich jemanden dazu bringen will, den Kobold in die Ecke zu stellen und dafür einen 600 Euro Dyson Staubsauger zu kaufen, kann ich nicht fragen: Hättest du gern einen Staubsauger?

Ich muss mit innovativen und ansprechenden Argumenten punkten, die in erster Linie ein Kaufinteresse und ein Bedürfnis wecken.

Auch in der Personaldienstleistungsbranche stehen nicht die Benefits, sondern die Botschaft im Vordergrund.

Und welche Rolle spielen dabei subtilere Touchpoints, wie z.B. wenn man in Personalmarketing investiert, heißt das ja z.B. auch in Anzeigen zu investieren, also einfach unterbewusste Werbeeffekte zu erzeugen. Machen Unternehmen das schon genug?

In unserer Arbeit gibt es zwei Unterschiede: Zum einen gibt es das Endprodukt, mit dem der/die Kandidat:in in Berührung kommt. Am Beispiel von Apple macht das Produkt selbst schon Personalmarketing. Habe ich ein Produkt aus der Industrie, wie Kabel oder Fertigungsteile, kommt der/die Verbraucher:in damit nie in Berührung. Das heißt, ich als Unternehmen muss den Kontakt suchen, weil es mein Produkt selbst nicht tut.
Viele Unternehmen setzen dabei eher auf klassische Themen wie Messen, Bewerbermessen. Werbung vor allem im klassischen Sinne. Worauf im Personalmarketing-Sinne noch nicht zurückgegriffen wird, ist beispielsweise unterbewusst wirkender Content, den Unternehmen über Social Media generieren. Da könnten viele Unternehmen tatsächlich noch eine ganze Stufe ausbauen.

Welche Formate nutzt man am besten, um eben grade diese unterbewussten Botschaften zu senden?

Es geht vor allem darum, die richtigen Impulse an die User:innen zu bringen. Mit Werbung, offensichtlichen Lockangeboten oder standardisierten Headhunter:innen-Anfragen beschäftigt man sich in der Regel nicht so gern. Dadurch entsteht schnell das Gefühl, dass mir durch sinnlose Werbung und einfallslose Ansprachen die Zeit geklaut wird.

Das Ziel muss es sein, den/die User:in in dem riesigen Mix aus Kanälen ein Mal zum Innehalten zu bewegen. Habe ich das geschafft, dann habe ich ein bis zwei Minuten Zeit, meinen Content zu präsentieren. Unternehmen sollten sich fragen, mit welchem Mehrwert sie um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe werben. Dabei spielen auch moderne Themen, wie Nachhaltigkeit, eine wichtige Rolle.

Proaktiv nach draußen zu gehen kann ja auch sein, mit dem Content der eigenen Mitarbeiter:innen zu werben. Was hältst du denn davon?

Nicht jede/r Mitarbeiter:in ist für das Outgoing gemacht, möchte dementsprechend nicht selbst Content produzieren oder selbst im Rampenlicht stehen. Ist man dennoch dazu bereit, ist das natürlich super, weil sie in diesem Moment als Markenbotschafter:in fungieren.
Ein Unternehmen sollte jedoch immer bestimmte Leitlinien in der Kommunikation bereitstellen, an die der/die Mitarbeiter:in sich orientieren kann. So ist es ihm/ihr möglich Content frei zu gestalten und dabei die Kernbotschaft des Unternehmens nicht aus den Augen zu verlieren.

Ich würde gerne auch über Recruiting-Strategien sprechen. Wir erleben gerade eine Zeit, in der Recruiting automatisiert werden muss, in bestimmten Prozessen. Gleichzeitig fordert die Branche an sich aber eine viel größere Individualisierung. Wie kann man als Unternehmen diesem Bedarf gerecht werden?

Dieser Konflikt hat in erster Linie Kapazitätsgründe. Der Wunsch von HR nach bestimmten Automatisierungen ist unter anderem damit begründet, dass Recruiter:innen wieder mehr Zeit in das investieren wollen, was eigentlich ihren Job ausmacht: Die Beschäftigung mit den Menschen, die in ihrem Unternehmen eine neue berufliche Zukunft suchen.

Ich kann natürlich nicht alles automatisieren. Ich brauche für viele Automatisierungs-Lösungen auch ein gewisses Volumen, damit sich der Aufwand dessen überhaupt lohnt.
Dabei unterscheiden sich die Automatisierungs-Lösungen stark nach der Größe des Unternehmens. In einem großen Unternehmen, mit entsprechenden Bewerbungseingängen, wird eine gewisse Automatisierung vorausgesetzt, dessen sind sich auch die Kandidat:innen bewusst. Eine zentrale Frage in diesem Prozess ist: Ab wann geht eine Recruiting-Automatisierung in eine Recruiting-Personalisierung über?

In einem kleineren Unternehmen, mit durchschnittlich weniger Bewerbungseingängen, ist es eher möglich, potentielle Kandidat:innen selbst anzusprechen und den Prozess persönlich zu begleiten.

Im Sinne der Candidate Experience sollten Unternehmen sich immer fragen, wie sich Aufwand und Nutzen die Waage halten können.

Denkst du, dass der Jobbot eine Zukunft hat für das HR?

Absolut und das in den verschiedensten Bereichen. Gerade bei der automatisierten Abfrage, also Informationen, die ich standardisiert zur Verfügung stellen kann, ist diese Technologie durchaus sinnvoll. Das bezieht sich beispielsweise auf Fragen nach einer Home-Office-Lösung, Urlaubstagen, etc.
Aber je spezialisierter die Informationen werden, desto weniger ist diese Technologie für die individuellen Bedürfnisse der Kandidat:innen geeignet.

Sollte also, wenn wir diese Punkte zusammenfassen, Automatisierung bis zu einem gewissen Grad für alle Unternehmen erstrebenswert sein?

Also grundsätzlich würde man sagen: Ja. Das hängt natürlich aber auch von der Anzahl der Vakanzen im Jahr ab. Für eine geringe Anzahl an Vakanzen, beispielsweise fünf, lohnt sich der Aufwand der Automatisierung nicht.
In der Trendbewegung ist zu sehen, dass die Zahl der Bewerbungen eher rückläufig ist. Hier ist eine Automatisierung, vor allem bei kleinen Unternehmen, kaum noch erforderlich. Viel mehr müssen gewisse Automatismen für die Kandidat:innen-Ansprache gefunden werden.

Ab einer gewissen Größe und Bewerber:innen-Anzahl muss ich den Prozess in irgendeiner Form automatisieren, sonst kann ich es gar nicht mehr bewältigen. Also je größer, desto mehr und je kleiner, desto weniger.
Unternehmen müssen entscheiden, ab welcher Prozess-Phase sie in den persönlichen Austausch mit Kandidat:innen gehen können und wollen.

Könnte ein Format, um dieses Ziel zu erreichen, eben die ganz individuelle und persönliche Ansprache, die sozusagen eins zu eins stattfindet, beispielsweise das Video-Recruiting sein?

Das Format ist an sich nicht das Problem, sondern die Frage: In welchem Kontext konsumiere ich es? Das heißt, als Unternehmen muss ich mir überlegen, wann spiele ich Content aus und an welche Zielgruppe? Diese Fragestellungen hängen zentral miteinander zusammen. Am Beispiel des Video-Formates: Wer wird dieses Video sehen? Wann hat er/sie im individuellen Alltag Zeit, dieses Video zu konsumieren?
Diese Fragen lassen sich beliebig auch auf andere Formate und deren Inhalte übertragen.

Wir bedanken uns für diesen tollen Austausch und den wertvollen Einblick in die Welt des Employer Brandings!

Bild: Barthy Bonhomme

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