Menschen denken in Biases – in sogenannten kognitiven Verzerrungen oder einer Art Voreingenommenheit. Das stereotype Denken ist häufig ein unbewusster Prozess, der sich seit einem langen Zeitraum manifestiert hat. Es rührt von der menschlichen Tendenz her, die Komplexität sozialer Welten durch Kategorisierungen zu reduzieren. In früheren Zeiten waren diese Fähigkeiten überlebenswichtig, um z.B. schnell eine Entscheidung bei aufkommender Gefahr zu treffen.
Welche Auswirkungen hat dieses unterbewusst-stereotype Denken im Recruiting, wo Unvoreingenommenheit eigentlich vorausgesetzt wird?
Wie entsteht eine unterbewusste Voreingenommenheit?
Kognitive Verzerrungen oder Biases entstehen durch Erziehung, Sozialisierung und eigene Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen – gute, wie auch schlechte. Die Art und Weise, wie diese Erfahrungen gespeichert und unterbewusst gewertet werden, wirkt sich auf unsere Wahrnehmung, auf Erinnerungen und Beurteilung von bestimmten Menschen und Situationen, aus. Ein Gehirn versucht neue Informationen, Umgebungen und Situationen schnellstmöglich zu verarbeiten und gleicht daher Neues mit bekannten Informationen aus der Vergangenheit ab. Hier können Verzerrungen und fehlerhafte Neigungen entstehen.
Menschen haben dann beispielsweise bei Begegnungen mit anderen Menschen ein ungutes Gefühl, weil sie durch das Aussehen, Namen oder gewisse Situationskonstellationen an negativ abgespeicherte Momente in ihrem Leben erinnert werden. Das Gehirn gleicht alte und neue Informationen ab und beeinflusst somit direkt die Wahrnehmung und unterstützt eine Voreingenommenheit und eine mögliche Ablehnung unbekannter und neuer Personen.
Welche Auswirkungen haben Unconscious Biases auf Hiring-Prozesse?
Die Art und Weise wie Biases entstehen können in völlig unbewussten Prozessen ablaufen. Eingespeicherte und eingespielte Denkmuster werden selten hinterfragt und stellen für die meisten Menschen kein Problem dar. In einem Bereich, in dem Menschen jedoch von der Wertung und Beurteilung anderer Menschen abhängig sind, sind Biases aber problematisch. Besonders im HR-Bereich stellen Unconscious Biases für bestimmte Gruppen ein sehr reales Problem dar. Bereits beginnend bei der Stellenausschreibung wird durch Attribution nur eine bestimmte Gruppe von Menschen angesprochen – zumeist Männer. Wie genau man männliche Attribute von diversen und weiblichen unterscheiden kann, haben wir bereits in unserem Magazin erläutert.
Es werden jedoch auch andere Gruppen unbewusst durch Biases benachteiligt. Attributionsfehler entstehen auch, wenn Bewerber:innen in Gesprächen aufgrund von Nervosität unstrukturiert oder fahrig antworten. Recruiter:innen schließen aus einer nicht alltäglichen Stresssituation auf den Charakter und das allgemeine Verhalten einer Person. Diese Beurteilung kann sich später negativ auf die Eignung eines Menschen für einen Job auswirken.
Unterbewusste Denkmuster und Denkfehler führen laut einer Studie von Monster auch häufig zu anderen signifikanten Benachteiligungen. So wird beispielsweise älteren Bewerber:innen nicht mehr die gleiche Leistungsfähigkeit wie jüngeren Mitbewerber:innen zugetraut. Für die meisten Positionen gelten sie deshalb als unattraktiv. Auch die Arbeitsleistung von Frauen wird gegenüber der Leistung von Männern geringer eingeschätzt. Diese unbewusste Einschätzung geht häufig mit einem niedrigeren Gehalt einher. Als Ableismus wird die unbewusste Diskriminierung von beeinträchtigten Personen bezeichnet, denen aufgrund ihrer beispielsweise körperlichen oder psychischen Einschränkungen keine Aufgaben mit Eigenverantwortung zugetraut wird.
Wie lassen sich Biases vermeiden oder aktiv bekämpfen?
Im ersten Schritt kann es helfen, sich selbst als Recruiter:in und die eigenen Arbeitsschritte zu hinterfragen. Auch Jobbots können diskriminierende Evaluationen von Kandidat:innen nicht vollständig verhindern. Es gibt jedoch bereits niederschwellige Ansatzpunkte, um Kandidat:innen-Profile möglichst vorurteilsfrei zu betrachten:
Wie bereits früher erwähnt, kann bereits die Stellenanzeige in einer vorurteilsfreien Sprache und Attributen formuliert werden.
Auch das „Blind Hiring“ kann ein Ansatz für den Abbau von Biases im HR-Bereich sein. Lebensläufe oder Bewerbungsunterlagen können ohne Foto, Geschlecht und Alter evaluiert werden.
Somit liegt der Fokus mehr auf der fachlichen Eignung, unabhängig von sozialen Faktoren. Ebenso kann das Vier-Augen-Prinzip unbewusste Denkfehler beheben. Eine Zweitmeinung kann Aspekte eines/ einer Bewerber:in hervorheben, die man vorher möglicherweise selbst nicht in Betracht gezogen hat.
Für Personaldienstleister:innen kann ein Weg der vorurteilsfreien Profil-Evaluierung durch Kund:innen auch die anonymisierte Weiterleitung von Kandidat:innen-Profilen sein. Das dient der Konzentration auf streng objektive Bewertungskriterien.
Als Personalberater:innen liegt uns das vorurteilsfreie Recruiting von Kandidat:innen sehr am Herzen. Deshalb versuchen wir uns in unserer eigenen Arbeit auch immer wieder neutral auszurichten und Stolperfallen, die uns unser eigener Cortex stellt, zu vermeiden.
Die oben genannten Biases sind nur ein kleiner Auszug aus möglichen Formen der unbewussten Denkfehler und Diskriminierungen. Hier gibt es weitere Beispiele, an denen man seine eigenen Denkmuster prüfen kann.