Interview mit Louisa Noack und Katja Teichert

Arbeitsmarkt

Im Rahmen der Veranstaltung WORKplus, einer Parallelveranstaltung der BGMpro, hat Katja mit Louisa Noack einen Podcast aufgenommen. Das vollständige Gespräch rund um die Themen des modernen Recruitings und die Zukunft der Arbeitswelt gibt es hier zum Nachlesen.

Louisa: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Podcastfolge. Ich bin heute zu Gast bei Katja Teichert, sie ist Gründerin und Geschäftsführerin der talents for it GmbH. Sie war viele Jahre im Management eines bundesweiten Personaldienstleisters, Niederlassungsleiterin in Leipzig und Jena und hat vor einigen Jahren ihr eigenes Unternehmen in Leipzig gegründet. Hallo Katja!

Katja: Hallo Louisa!

Louisa: Katja wie sieht denn heute modernes Recruiting aus?

Katja: Modernes Recruiting ist ein Recruiting, das ganz klar auf das Thema digitale Suchstrategien abzielt. Das bedeutet, dass die Kandidaten sich heute fast nur noch im Internet bewegen und dort auch gefunden werden wollen. Es gibt natürlich noch ein paar Ausnahmefälle, z.B. im Bereich der handwerklichen Berufe, im pflegerischen Bereich oder im Niedriglohn-Sektor. Alle Vakanzen im qualifizierten und spezialisierten Fach- und Führungskräftebereich findet man heute im Internet. 95 % aller Stellenangebote, die überhaupt verfügbar sind, sind auch im Internet vorhanden.

Louisa: Die klassische Stellenanzeige ist also out?

Katja: Ja und nein. Wir brauchen sie immer noch, um erst einmal zu signalisieren und zu beschreiben, wie eine Position aussieht, wie eine Funktion beschrieben ist, die zu besetzen ist, aber sie hat nicht mehr diese Wirkung wie früher. Früher war es so, dass wir eine Stellenanzeige getextet haben, sie in einer Stellenbörse veröffentlicht haben, Print oder Internet, und dann haben wir darauf gewartet, dass sich ein Kandidat beworben hat. Wenn wir Glück hatten, dann haben wir eine Anzahl von guten Kandidaten gehabt, die wir uns dann ins Gespräch einladen konnten. Das ist heute nicht mehr so. Im Prinzip ist die Stellenanzeige heute nur noch die Information, dass es eine Position gibt, die zu besetzen ist und sie hat etwas sehr statisches, passives an sich. Das heißt, die Stellenanzeige ist nicht mehr an einer Jobwall, an der unsere Kandidaten vorbeigehen und lesen, sondern WIR müssen die Stellenanzeige zu den passenden Kandidaten bringen.

Louisa: Was sind denn eure speziellen Methoden?

Katja: Die speziellen Methoden formuliert man unter den Schlagworten Social Media Recruiting, Active Sourcing. Das beschreibt eine Methode, die sich in drei Teilschritte gliedert. Der Erste ist das Publishing, das, was ich eben beschrieben habe, mit der Veröffentlichung einer Stellenbeschreibung. Der zweite Schritt ist der Research, nämlich das Suchen und Identifizieren der passenden Kandidaten im Internet. Und der dritte Schritt ist dann die Ansprache und das Recruiting dieser Kandidaten.

Der Mitarbeitermarkt ist immer in Bewegung

Louisa: Wie verändern sich dadurch die Chancen Mitarbeiter zu finden? Steigt die Chance?

Katja: Auf jeden Fall. Im Vergleich zum klassischen, analogen Recruiting vervielfacht sie sich. Aber es ist heute natürlich unter erschwerten Rahmenbedingungen zu sehen. Wir gehen auf einen Arbeitnehmermarkt, das heißt auch, ich spreche nicht mehr von Bewerbern, sondern von Kandidaten. Denn wir bzw. unsere Auftraggeber sind als Arbeitgeber diejenigen, die sich um die Arbeitnehmer, die Kandidaten zu bewerben haben. Also es ist auf einmal eine neue, eine umgekehrte Rolle. Aus diesem Grund ist es so, dass wir schon sehr gezielt umwerben müssen, eine Magnetwirkung für unseren Arbeitgeber entwickeln müssen, damit wir die richtigen Kandidaten für unsere Positionen bekommen.

Louisa: Müssen euch die Unternehmen da zuarbeiten, damit das funktioniert?

Katja: Auf jeden Fall. Da reicht es auch nicht mehr, dass wir einfach eine Stellenanzeige oder eine Funktionsbeschreibung vom Kunden bekommen. Wir brauchen viel mehr Informationen dazu. Wir brauchen die Informationen: Wie ist das Unternehmensklima, der gelebte Führungsstil? Handelt es sich eher um ein Unternehmen aus der Old Economy, das viele gute Attribute hat? Oder ist es eher im Bereich der New Economy angesiedelt, Start-up-Unternehmen mit einer unglaublichen Dynamik und Agilität? Alles das macht die Anziehungskraft aus, die Arbeitgeberattraktivität, für die wir werben wollen.

Louisa: Wie sieht denn so ein optimales Unternehmen aus, für das man einen Kandidaten sucht?

Katja: Ja natürlich ist ein ideales Unternehmen ein Unternehmen, dass sowieso schon eine hohe Arbeitgeberattraktivität und ein gutes Produkt hat und dadurch schon einen Magnetwirkung erzeugt. Dazu zähle ich z.B. Porsche als Luxusmarke. Dann ist es aber auch weniger die Kunst, dort Kandidaten zu finden, weil diese Kandidaten sich meist schon initiativ bewerben. Ein grundsätzlich attraktives Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, hat auf der einen Seite ein gutes Produkt, kennt seinen Markt, hat ein gutes Betriebsklima, bietet den Kandidaten ein gutes Maß an Work-Life-Balancing, an flexiblen Arbeitszeitmodellen, an Benefits wie zum Beispiel Gesundheitsprävention und andere individuelle Themen. Dabei spielt die Größe des Unternehmens nicht unbedingt eine Rolle. Manche kleine Unternehmen geben so viel an Benefits, die große vielleicht gar nicht realisieren können aufgrund ihrer formalen Struktur. Vorrangig wichtig ist den Kandidaten heute, dass es geregelte Arbeitszeiten gibt, flexible Arbeitsmodelle generell, dass es eine marktgerechte Entlohnung gibt und dass das Unternehmen eine sinnvolle Tätigkeit für den Kandidaten hat. Die Präferenzen und Prioritäten bei den vorgenannten Faktoren sind bei jedem Kandidaten völlig unterschiedlich.

Louisa: Welche Qualifikationen werden gesucht? Ihr habt euch spezialisiert oder?

Katja: Ja, wir haben uns spezialisiert auf IT-Spezialisten auf der einen Seite und auf der anderen Seite auf Führungskräfte, branchenübergreifend, in der ersten und zweiten Führungsebene. Wie war deine Frage jetzt?

Louisa: Welche Qualifikation hauptsächlich gesucht werden.

Katja: Genau. Wir sind hauptsächlich in der IT-Branche unterwegs. Das bedeutet, sehr viel findet dort in der Softwareentwicklung statt, weil die Digitalisierung einfach einen unglaublichen Bedarf an Programmierung mit sich bringt. Genauso hoch ist aber dort auch der Bedarf ist an Prozessspezialisten, als Projektmanager, als Berater, das sind so die klassischen heiß umkämpften Spezialisten-Positionen. Wenn ich mal von meinem eigentlich angestammten IT-Berufsfeld weggehe, gibt es aber auch exponentiell hohen Bedarf im Bereich der Engineering-Berufe, der Pflege und Gesundheitsberufe. Das sind natürlich Themen, die heute schon sehr stark über Social Media Recruiting adressiert werden.

Louisa: Was kann ein Berater in dem Moment tun? Mit dem Unternehmen besonders zusammenarbeiten? Wie könnt ihr helfen?

Katja: Wir können beraten, indem wir erst einmal die Brille von außen aufsetzen, die Kernpunkte der Arbeitsgeberattraktivität identifizieren und Suchstrategien für unsere Kunden entwickeln. Wir können auf der anderen Seite, als verlängerte Werkbank, den kompletten Rekrutierungsprozess outsourcen und für unseren Auftraggeber erledigen. Das bedeutet, er kann sich dann wirklich in Ruhe um seine weiteren unternehmerischen Kernthemen kümmern.

Louisa: Gibt es Besonderheiten auf dem ostdeutschen Markt? Unterscheidet sich das von Westdeutschland?

Katja: Ja, das unterscheidet sich schon. Auf der einen Seite ist es die generelle Bereitschaft, externe Dienstleister zu beauftragen. Die ist im ostdeutschen Markt geringer. Das hat natürlich viel auch mit einem sensiblen Kostenbewusstsein zu tun, sowas ist nicht günstig. Auf der anderen Seite aber auch damit, dass wir, historisch gesehen immer noch eher aus einem Arbeitgebermarkt kommen  als in vergleichsweise in anderen Wirtschaftsbrennpunkten wie zum Beispiel München oder Stuttgart.

Das sind meiner Meinung nach die Hauptgründe, warum die ostdeutsche Bereitschaft im Recruiting mit Beratungsagenturen zusammenzuarbeiten, eher geringer ist als im Westen.

Individualität macht für uns den Unterschied

Louisa: Was unterscheidet die talents for it GmbH von anderen Personaldienstleistern?

Katja: Wir sind auf der einen Seite sehr fokussiert auf, ich sage immer, das karierte Maiglöckchen. Sowohl im IT-Spezialisten Bereich, als auch im Führungskräftebereich erhalten wir die Aufträge, die besonders schwierig in der Besetzung sind. Das unterscheidet uns sicherlich erstmal von der großen Anzahl anderer Personaldienstleister und den Big Playern, ich bezeichne uns immer als Manufaktur. Das was der Kunde mit uns einkauft (und auch der Kandidat mit uns einkauft) ist eine sehr persönliche Beziehung und eine stetige Transparenz im Prozess. Das ist nicht unbedingt üblich in unserem Metier.

Louisa: Gibt es schon genug Unternehmen die sich einen solchen Expertenrat holen oder können das noch mehr sein?

Katja: Ich glaube, dass wir im Wettbewerbsvergleich eine gute Auftragslage haben. Ich kann das gut beurteilen, denn ich habe schon zwei Konjunkturdellen im Personalberatungs-Bereich mitbekommen: 1999 mit der Dotcom-Blase und 2007/8 dann mit der Bankenkrise.

Wir haben gut zu tun. Das hat sicherlich damit zu tun, dass IT-Spezialisten latent gesucht werden, aber genug hat man ja nie. Von daher sind wir auch immer gespannt und interessiert an neuen und coolen Unternehmen, die eine tolle Arbeitgebermarke haben, denn wir haben ja nicht nur einen Kunden und einen Kandidaten kommen zu uns und schenken uns ihr Vertrauen, weil wir coole regionale Firmen kennen, Expertise in der IT besitzen und diskret sind.

Louisa: Wie reagieren da die Unternehmen, wenn ihr auf die zugeht, wenn die mit euch zusammenarbeiten? Gibt es da positive Reaktionen?

Katja: Meistens ist es sowieso so, dass wenn das Unternehmen zu uns kommt, es schon verschiedenste negative Erfahrungsschleifen in der Besetzung der Zielposition gelaufen ist und aus diesem Grund einen gewissen Handlungsdruck hat. Daher ist die Bereitschaft mit uns zusammenzuarbeiten und das auf Augenhöhe zu tun groß. Das brauchen wir aber auch, weil wir ein Beratungsunternehmen sind, das nicht mal eben auf Zuruf Kandidaten aus der Schublade holt, sondern individuelle Suchstrategien neu entwickeln. Das bedeutet, wir stellen uns jedes Mal wieder auf einen neuen Suchauftrag ein, suchen die Kandidaten neu. Der Kunde muss das natürlich auch verstehen und wertschätzen.

Louisa: Ich wollte es gerade sagen: Muss man das den Unternehmen dann noch erklären, dass das ganz neue Methoden sind? Sowas haben die wahrscheinlich noch nie erlebt?

Katja: Das muss man meistens noch. Deshalb bin ich auch viel unterwegs, um darüber zu berichten wie ein moderner Recruiter, ein Smart Recruiter heute aufgestellt sein muss, damit er seine Aufgabe richtig machen kann. Und ich wünsche mir auch im Hause meiner Kunden viele Smart Recruiter, mit denen wir  dann auch auf Augenhöhe kommunizieren können.

Louisa: Die talents for it GmbH ist ja auch auf der Neuen Leipziger Messe WORKplus im November in Leipzig mit dabei. Worüber werden wir da sprechen? Was werden wir da erfahren?

Katja: Wir werden auf jeden Fall über eine Herzensangelegenheit von mir reden, über das Smart Recruiting. Ich habe die ersten Vorträge darüber in den letzten Monaten schon gehalten und ein unglaubliches Interesse vorgefunden, sowohl von Arbeitgeberseite aber auch von Kandidatenseite. Viele Menschen wissen gar nicht, wie sie gefunden werden und machen sich auch nicht bewusst, welche digitalen Footprints sie hinterlassen. Deshalb bringt es mir auch unglaublich viel Spaß, darüber zu reden. Man kann immer auf Interessenten und neugierige Fragen gespannt sein.

Digitale Spuren im Netz

Louisa: Darf ich ein bisschen mehr über diese digital Footprints erfahren, was es damit auf sich hat?

Katja: Ja, sehr gern! Jeder Mensch hinterlässt im Internet Spuren. Deshalb kriegst Du z.B. über Facebook oder per E-Mail Deine Angebote für eine Hollywood Schaukel, wenn Du mal Hollywood Schaukeln über Suchmaschinen gesucht hast. Aber auch der Kandidat hinterlässt digitale Spuren, wenn er sich in einer Berufsumorientierung bewegt. Diese digitalen Spuren hinterlässt er einerseits, in dem er auf digitalen Jobbörsen unterwegs ist, diese Spuren hinterlässt er auch indem er auf seinen sozialen Medien, in seinen Profilen, Dinge verändert, um sich zum Beispiel besser darzustellen, zu aktualisieren. Die neuen Recruiting-Tools und Suchstrategien, die diese Aktivitäten skalieren, geben uns als Smart Recruiter die Möglichkeit, diese wechselwilligen Kandidaten zu identifizieren. Wir bekommen das schon in einer so graduellen Schärfe identifiziert, dass wir feststellen können: Ist dieser Kandidat aktiv auf Jobsuche? Ist er aktiv-passiv auf Suche, also guckt er noch so ein bisschen rum? Das sind übrigens 60 % aller Erwerbstätigen, das ist alarmierend für alle Arbeitgeber.

Louisa: Wie sieht die Zukunft aus?

Katja: Die Zukunft des Recruitings wird sich weiter digitalisieren, weiter vertiefen und es wird sicherlich noch mehr in Richtung Künstlicher Intelligenz ins Laufen kommen. Das bedeutet, dass das was wir heute zum Teil manuell zum Beispiel im Research machen, das Identifizieren von Kandidaten, dass das irgendwann auch Bots übernehmen. Dass bestimmte Ansprachen, ohne dass der Kandidat es merkt, auch von Künstlicher Intelligenz übernommen werden. Es bleibt- und das ist natürlich ganz klar meine persönliche Meinung dazu- dieses letzte Stückchen Mensch, dass wir brauchen, um die Konnektivität zwischen Kandidaten und Arbeitgeber herzustellen. Aber vieles andere wird automatisiert.

Louisa: Katja, vielen Dank für das Gespräch. Und wir hören uns in der nächsten Folge wieder.

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