Experteninterview mit Katja Teichert

HRunited

Im Rahmen des Formats HRunited hat Katja mit Franziska Wagner von whyapply gesprochen. Zentrale Themen des Gespräches sind unter anderem: modernes Recruiting, Gehaltstransparenz und Resilienz im Recruiting.

Hallo liebe Katja! Ich freue mich, dass du dir die Zeit genommen hast, ein paar Insights aus deiner Arbeit rund um das Recruiting von Fach- und Führungskräften zu teilen. Fangen wir einmal mit einer kleinen Einleitungsfrage an. Was hat dich dazu bewegt, bei talents for it einzusteigen? Und was möchtest du mit deiner bzw. eurer Arbeit erreichen?

Katja: Mein Einstieg oder auch die Gründung von talents for it GmbH (tfit) ist eigentlich aus einer stetigen persönlichen Motivation entstanden, die auch im Claim meines LinkedIn Profils seinen Platz hat: Faszination Finden. Ich bin seit über 20 Jahren im Recruiting-Geschäft und finde die Frage immer noch super spannend, wie man wertschätzend, effizient und professionell die richtigen Kandidat*innen auf die richtigen Aufgaben bringt. Das ist die kurze Antwort. Grundsätzlich kann ich das mit vielen spannenden Geschichten und Erfahrungen von uns und mir dann noch untersetzen, die aber Stunden ausfüllen würden.

Das glaube ich gern, da sprechen wir mal auf der nächsten AfterWork Party drüber. ???? Du hast gerade so schön gesagt “die richtigen Kandidat*innen auf die richtigen Aufgaben bringen”. Genau vor dieser Herausforderung stehen viele Unternehmen und ihr habt es euch zur Mission gemacht Arbeitgebern beim Recruiting von Fach- und Führungskräften zu helfen. Wie geht ihr vor, um diese raren Schätze zu finden?

Katja: Auch dafür gibt es eine kurze Antwort und eine lange Antwort. Die kurze Antwort ist: unsere Kompetenz im modernen Recruiting (vorrangig Social Media Recruiting), ein sehr gutes Netzwerk und stetiges Hinterfragen unserer eigenen Arbeit. Die lange Antwort findest Du in unseren Artikeln auf unserer Homepage und auch in unserem Magazin.

Greifen wir das Stichwort “modernes Recruiting” doch nochmal auf. In den letzten Jahren hat Active Sourcing zunehmend an Beliebtheit gewonnen. Das führt mitunter dazu, dass beispielsweise viele Entwickler*innen mittlerweile von Anfragen überhäuft werden, die auch oftmals gar nicht zu ihnen passen. Wie kann HR hier deiner Meinung nach die Ansprache passender gestalten?

Katja: Active Sourcing ist meiner Meinung nach nicht nur beliebt, sondern zwingend erforderlich geworden, um ÜBERHAUPT noch Kandidat*innen zu finden. Da es hier, wie du schon sagst, viele Wettbewerber*innen um die Kandidat*innen gibt und diese teilweise schon entnervt sind, ist es eine Kunst geworden, eine Kandidat*in zum Dialog und später idealerweise zum Wechsel zu bewegen. Das gehört schon ein wenig zu unserem Berufsgeheimnis. Nur so viel sei gesagt: Wir verwenden eine unglaubliche Sorgfalt und Zeit auf die individuelle Ansprache. Hier geben unsere Ergebnisse in den statistischen Auswertungen recht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Eine durchschnittliche Recruiter*in bekommt heute ca. 15% Response auf ihre Anfragen. Wir liegen bei 30%.

Die gute Response Rate spricht auf jeden Fall für euch. Obwohl ihr die Direktansprache nutzt, um Talente auf Xing und Co. zu finden, versteht ihr euch aber nicht als Headhunting-Firma. Kannst du das einmal genauer erläutern?

Katja: Tja, lange Zeit hätte ich empört reagiert, als Headhunterin bezeichnet zu werden. Das hat so etwas anstößig-aggressives. Heute ist der Kandidatenmarkt aber so angespannt, dass wir mit unseren Kund*innen beim Briefing sehr klar besprechen, ob es Ideal-Kandidat*innen gibt, die sie gerne für sich gewinnen würden. Wenn diese nicht gerade in einem Unternehmen unserer Kund*innen arbeiten und auch über ihre Business-Profile Wechselbereitschaft signalisieren, sprechen wir sie an und damit SIND wir Headhunter – aber ich betone immer wieder dabei unsere ethischen Grenzen, die wir selbst setzen und die auch jeder Kund*in erkläre. Wir machen es z.B. zum Prinzip „keine Kandidat*in zum Jagen zu tragen“. Es gehört immer ein gerüttelt‘ Maß an eigener Motivation dazu, in einen neuen Job zu wechseln.

Wo du gerade von der Wechselbereitschaft sprichst… Es ist ja kein Geheimnis, dass HR zunehmend auf passiv wechselwillige Kandidat*innen setzen (müssen). Aufgrund von Covid-19 sind allerdings viele verunsichert und zurückhaltend, was den Jobwechsel angeht. Wie können Unternehmen deiner Ansicht nach auf dieses Problem reagieren?

Katja: Ganz lapidar gesagt „mit Verständnis und Geduld“. Durch die pandemischen Umstände gibt es sehr nachvollziehbare Gründe, wenn z.B. Alleinerziehende oder ein Familienvater den Schritt zum Wechsel scheut. Ich denke, dass diese Umstände sich durch eine Neubelebung der Wirtschaft auch relativ schnell wieder verändern werden und Kandidat*innen mehr Mut haben, sich wieder neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen.

Das kann ich nur unterstreichen. Ein ganz anderes Thema, dass neben der Pandemie in der HR-Community für viel Gesprächsstoff sorgt und Verständnis aus Kandidatensicht verlangt, ist die Gehaltstransparenz. Was denkst du darüber: Sollten Stellenanzeigen das zu erwartende Gehalt enthalten?

Katja: Ich bin für eine Gehaltstransparenz, die aber auch Verhandlungsspielräume, je nach persönlicher Eignung der Kandidat*innen zulässt. Dies signalisieren wir bereits in unseren Anzeigen, die wir z.B. über XING schalten. Das sind reale Werte, die wir vorab mit unseren Kund*innen besprechen und den Kandidat*innen bereits einen ersten Anhalt bieten, in welchem Rahmen sie sich bewegen. Das ist doch beiderseitig fair und erspart auf beiden Seiten Zeit.

Da bin ich ganz bei dir. Die Debatten darüber zeigen, dass sich die Erwartungen der Kandidat*innen an das Recruiting ändern und HR entsprechend darauf reagieren sollte. Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen: Wie muss sich deiner Meinung nach das (IT-)Recruiting in den nächsten zehn Jahren entwickeln?

Katja: Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung sind wir im Bereich des Recruitings allgemein im Mittelstand schon sehr weit. Dies bezieht sich heute insbesondere auf die Bewerbungsprozesse im „Ramp-up“, d.h. die Kommunikation mit den Kandidat*innen bis zum 1. Interview. Auch auf den Homepages der Unternehmen sind durch den Einsatz von Bots, strategischen Social Media Marketings und Einbindung von AI/KI viele stimmige Automatisierungen vorgenommen worden. Das wird sich meines Erachtens auch immer weiter fortsetzen. Das ist für mich ein Teil der Zukunft. Recruiting-Prozesse als solches werden aber auch immer individueller auf die Zielgruppe und die Kandidat*innen zugeschnitten werden (müssen). Das ist der andere Teil der Zukunft, den ich sehe. Hier bleibt auf dem letzten Rest der Bewerbungsstrecke immer noch die menschliche und fachliche Kompetenz der Recruiter*innen ein ganz wichtiger Faktor.

Ein spannender Blick in die Glaskugel, der durchaus Realität werden kann! Zu guter Letzt sind wir gespannt, ob du für die Personaler*innen “da draußen” noch einen Tipp für das Anziehen und Ansprechen von Spezialist*innen mitgeben kannst?

Katja: „Never give up“. Bei aller fachlichen Kompetenz der Recruiter*innen gehört Fleiß, Kreativität, Methodik und „ein Stück Glück des richtigen Moments“ zum Erfolg in unserem Beruf. Deswegen ist es wichtig, die eigene Resilienz-Strategie zu haben, wenn es einmal schwer wird und der Erfolg sich nicht einstellt. Das beginnt mit dem Austausch unter den Kolleg*innen, bei denen man Rat und Trost finden kann, genauso wie mit einem Stück Humor über Recruiter-Memes oder nach dem Prinzip/Motto „Hinfallen, Aufstehen, Krone richten, Weitermachen“. Darüber schreiben wir übrigens auch in unserem Magazin auf unserer Webseite.

Ein schöner und motivierender Abschlusstipp, den sich unsere Leser*innen sicherlich gerne mitnehmen. ???? Lieben Dank, dass du deine Expertise mit uns geteilt hast!

Was ist HRunited?

Digitalisierung, Fachkräftemangel, demographischer Wandel: HR steht derzeit vor vielen Hürden, die eine Personalabteilung nicht allein lösen kann. Wir wollen Unternehmen durch die Krise helfen. Und weil es nicht das EINE Tool dafür gibt, bieten wir nun verschiedenen HR-Expert*innen eine Plattform, um zum einen ihre Erfahrungen und Probleme, aber auch ihre Tipps und Tricks zu teilen.

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