Vor der Digitalisierung ist nach der Digitalisierung
Genau vor einem Jahr kritisierte der SPIEGEL: Deutschland und seine Unternehmen sind im Ausbau der Technologien und IT-Infrastrukturen zu langsam und verschlafen so die Digitalisierung. Dieses Problem wirkt sich nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit und Wertschöpfung der Unternehmen aus, es verschärft sogar die bereits angespannte Fachkräfte-Situation in Deutschland. Die mangelnde technische Ausstattung in privaten und öffentlichen Betrieben und Einrichtung kann träge und ineffiziente Prozesse zur Folge haben. Besonders stark sind Bildungseinrichtungen betroffen, die die zukünftigen Fachkräfte von morgen ausbilden. Auch für internationale SpezialistInnen kann ein Unternehmen mit wenig moderner Technologie und Innovation unattraktiv sein. Zudem rufen deutsche ArbeitnehmerInnen immer lauter nach mehr Work-Life-Balance, sprich mehr Möglichkeiten einer modernen Arbeitszeitgestaltung. Durch langsame oder fehlende Technologie in den Unternehmen ist das aber nur schwer umsetzbar. UnternehmerInnen sind skeptisch, ob ihre MitarbeiterInnen beispielsweise im Homeoffice genauso produktiv sind, wie im Büro. Diese Sorge ist jedoch völlig unbegründet, sie sind sogar noch produktiver.
New Work und Produktivität im Homeoffice
New Work als Konzept der neuen Arbeit beschreibt moderne Arbeitsweisen der heutigen Gesellschaft im globalen und digitalen Zeitalter. Darunter versteht man auch die Möglichkeit der flexiblen und modernen Arbeitszeitgestaltung wie zum Beispiel dem Homeoffice. Eine Studie der Karrierewebsite Monster (in Zusammenarbeit mit der Universität Bamberg) aus dem Jahr 2015, fand heraus, dass knapp 86 % der befragten ArbeitnehmerInnen einen Job mit flexibler Arbeitszeitgestaltung attraktiver finden. Angegeben wurde jedoch auch ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Büro und Homeoffice. Während KollegInnen im Büro fürchteten, einen deutlichen Mehraufwand leisten zu müssen, verspürten KollegInnen im Homeoffice im Gegenzug einen großen Rechtfertigungsdruck. Beide Befürchtungen sind jedoch obsolet. 67 % der befragten ArbeitnehmerInnen gab an, im Homeoffice länger und produktiver zu arbeiten, als dies im Büro der Fall wäre.
Der Virus als Beschleuniger der Digitalisierung
Die Mehrheit der deutschen und europäischen ArbeitnehmerInnen ist durch das neuartige Coronavirus und dessen rasante Verbreitung darauf angewiesen, im Homeoffice zu arbeiten. Auch öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Universitäten und Behörden müssen einen Weg finden, um trotz Kontaktverbot handlungsfähig zu bleiben. Hier zeigt sich das Coronavirus und die daraus resultierende Kontaktbeschränkung als universaler Beschleuniger der Digitalisierung. In kürzester Zeit wurden mittels moderner Technologien Prozesse digitalisiert und Heimarbeitsplätze durch Cloud-Working arbeitsfähig gemacht. Die Digitalisierung und Automatisierung erlebt im Moment einen erheblichen Schub, den Unternehmen nutzen sollten, um auch nach der Viruskrise in Digitalisierungsfragen mit anderen Ländern wie den USA oder China mithalten zu können. Der derzeitige wirtschaftliche Konkurrenzdruck stellt Schnelligkeit, im Sinne von Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber Marktentscheidungen, vor Qualität und ein kumulativer Vorteil kann Markt-entscheidend sein. Das bedeutet, wer sich früh Wettbewerbsvorteile zunutze macht (beispielsweise die Digitalisierung) kann so auch früher als KonkurrentInnen auf Ressourcen und Kapazitäten zugreifen. Der kumulative Vorteil wird auch the-winner-takes-it-all-Prinzip genannt und the Winner sichert sich auch Fachkräfte.
Am Ende der Krise?
Nachdem der erste Schock überwunden ist und die gröbsten Herausforderungen gemeistert wurden, können Unternehmen gemeinsam mit ihren MitarbeiterInnen für eine starke Wertschöpfung sorgen. New Work und Digitalisierung fängt im Kleinen an und in der Basis eines Unternehmens. In dieser Zeit, in der sich wohl alle Blicke in die Zukunft richten, sollten neu geschaffene Potenziale genutzt werden. Im Einzelnen können das MitarbeiterInnen sein, die durch mehr Work-Life-Balance produktiver arbeiten und Unternehmen, die durch moderne Technologien SpezialistInnen und Fachkräfte für sich gewinnen.
Wie Unternehmen die derzeitige Krise überwinden steht noch offen. Ist es jedoch möglich, dass sich die derzeitige Lage als Initiator erweist, um New Work und technologische Innovationen als neuen Standard zu etablieren?